Katernberg - Die Zollvereinstadt


Der Name Zollverein

Im Gegensatz zu anderen Staaten Europas war Deutschland im 19. Jahrhundert in zahlreiche kleine, mächtige Einzelregionen zersplittert.

Der Handel war nur unter erheblich erschwerten Bedingungen möglich. Es gab keine einheitlichen Maße und Gewichte und unzählige Zoll- und Mautgrenzen, an denen Ein- und Ausfuhrsteuern zu zahlen waren.

1819 gründete Friedrich List in Frankfurt am Main den „Allgemeinen Deutschen Handels- und Gewerbeverein". Dieser hatte zum Ziel, in Deutschland ein einheitliches Zollgebiet mit allgemeingültigen Maßen und Gewichten einzuführen.

Alle Versuche scheiterten, für die Kleinstaaten eine gemeinsame, verbindliche Regelung zu finden. Deshalb bildeten die Kleinstaaten in Deutschland ab 1828 Zollvereinigungen auf zwischenstaatlicher Ebene. Von 1828 bis 1888 dauerte es, bis Hamburg und Bremen, die letzten Hansestädte, sich im Deutschen Reich dem 1834 gegründeten Deutschen Zollverein anschlossen.

Die Bedeutung des Zollvereins für Handel, Gewerbe und Industrie ist gewaltig gewesen. Dies hat vermutlich die „Bergbaulustigen", die in Katernberg im Essener Norden durch Probebohrungen Steinkohle gefunden hatten, dazu bewogen, ihrem zukünftigen Bergwerk den Namen Zollverein zu geben.
 
 

Katernberg - Die Zollvereinstadt

Zechensiedlungen

Als 1847 die Köln-Mindener Eisenbahn durch Katernberg dampft, sehen die Reisenden eine ländliche Idylle. Wiesen. kleine Höfe und Äcker, hier hat sich bisher nur sehr wenig verändert. Kaum 1200 Menschen wohnten in den drei Dörfern Katernberg, Stopperberg und Schonnebeck.

Die Zeche Zollverein, änderte mit ihrer Gründung 1847 das Leben in Katernberg grundlegend. Zuerst ging es nur darum, auf der arünen Wiese des Bauern Bullmann den Schacht 1 abzuteufen. Dann kamen Bergleute von überall her. Wohnungen. Häuser und Kolonien wurden gebaut. Dafür kaufte die Zeche komplette Bauernhöfe mit ihrem ganzen Grundbesitz auf. Am Ende gehörte fast ganz Katernberg der Zeche Zollverein. Sie entschied, wer hier wohnen und arbeiten durfte. Als 1847 der Personenbahnhof der Köln-Mindener Eisenbahn eröffnet wurde, hieß er „Zollverein" und nicht Katernberg.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts konnte die kleine Gemeinde sich ein wenig von der Zeche emanzipieren. Der Bahnhof wurde in .Katernberg Süd" umbenannt. Zollverein stellte der Gemeinde einen Marktplatz zur Verfügung, unterstützte die Kirchengemeinden und förderte das Vereinsleben, sofern es nicht betriebsfeindlich war.

Als in den fahren 1840 - 1842 erste Bohrungen nach Kohle in Katernberg niedergebracht wurden, lebten hier 350 bis 400 Menschen, verteilt auf 23 Bauernhöfe und 34 Kotten. Mit dem Abteufen der Zollverein-Schächte 1 und 2, dem Erreichen der Steinkohleflöze und dem Beginn der Kohleförderung wuchs die Zahl der Mitarbeiter auf Zollverein stetig, und es mußten immer mehr Menschen in Katernberg und Umgebung eine Bleibe finden. Die Bevölkerungszahlen in Katernberg, Stoppenberg und Schonnebeck explodierten förmlich. 1929 wurden die drei Gemeinden, die zur Bürgermeisterei Stoppenberg gehörten, zur Großstadt Essen eingemeindet.

Woher kamen diese vielen Menschen. die sich hier eine neue Zukunft aufbauen wollten? Sie stammten aus allen deutschen Ländern. überwiegend aber aus den Ostgebieten. Meist arbeiteten sie dort als Knechte und Tagelöhner auf großen Gütern in Ostpreußen. Pommern, Mecklenburg und Schlesien und wohnten dort in kleinen anspruchslosen Katen. Für diese Menschen mußten nun Wohnungen geschaffen werden, die ihnen den Wechsel in die neue Heimat nicht allzuschwer machten. Private Investoren waren weit und breit nicht zu finden. Also mußten sich die Bergwerksbesitzer, schon aus eigenem Interesse, in die Pflicht nehmen und sich um den Bau von menschenwürdigen Wohnungen kümmern.

Die Familie Haniel, sie war die Betreiberin des Bergwerks Zollverein. hatte über dem Grubenfeld umfangreiche Ländereien aufgekauft und begann ab 1859 zügig mit dem Bau von Bergarbeiterwohnungen. Die Wohnsiedlungen, im Volksmund wurden sie Kolonien genannt, entstanden in der Nähe der Schachtanlagen, denn der Weg zum Schacht sollte für die Kumpel nicht zu weit sein. Er mußte ja zu Fuß zurückgelegt werden. Einen öffentlichen Personennahverkehr gab es noch nicht, und das luftbereifte Fahrrad wurde erst 1888 von Dunlop in Irland entwickelt.

Im wesentlichen wurden die Häuser, die von den Architekten wegen ihres kreuzförmigen Grundrisses Vierspänner genannt w-urden, alle nach einem Schema gebaut. Sie waren einstöckig, hatten einen ausgebauten
Dachstuhl und waren meist unterkellert. Jedes Haus hatte vier drei- bis vierräumige Wohnungen mit 50 bis 60 m= Größe. Alle Wohnungen hatten einen eigenen Eingang von draußen. Jede Familie besaß hier ihr eigenes Reich.
In kleinen Schuppen hinter den Häusern waren die Toilette und Kleinvieh untergebracht, und ca. 500 bis 600 m2 große Gärten (pro Wohnung) machten die Wohnungsinhaber fast zu Selbstversorgern. Das gesellige Leben wurde allgemein gepflegt. Trotzdem mußte man in diesen Wohnungen auf einiges verzichten. Die Häuser waren nicht an eine Kanalisation angeschlossen.

Anfangs gab es noch keinen elektrischen Strom, und das Trinkwasser mußte aus Brunnen mittels einer Pumpe, die jeweils zwischen den Häusern stand, gehoben werden. Die Notdurft mußte in einem kleinen Schuppen hinter dem Haus, auf dem sogenannten „Plumpsklo" verrichtet werden. Das Regenwasser floß von der Dachrinne über eine Falleitung in eine Rinne auf dem Bürgersteig und von dort in die Straßenrinne.

Das Waschwasser wurde gleichfalls von der Küche auf die Straße geleitet. Von dort gelangte das Wasser in
Abwassergräben, die die Wässer zu den Ortsbächen und von dort zum Schwarzbach bzw. zur Berne führten. Diese beiden Bäche flossen in die Emscher, die damals schon Abwasserfluß war.

1860 begann Zollverein mit dem Wohnungsbau in Katernberg. Zuerst wurden die Rosen- und der nördliche Teil der Viktoriastraße bezugsfertig. Die Veba-Wohnen hat diese Häuser in den 60er Jahren dieses Jahrhunderts abgerissen und die Neubausiedlung Meerkamp gebaut.

Wie es weiterging, zeigt die nachfolgende Aufstellung:
1870 Bolsterbaum (vormals Emscherstraße)
1873 Joseph-Oertgen-Weg (vormals Hoch- bzw. Wallstraße)
(Joseph Oertgen war erster Betriebsführer un später Direktor auf Zollverein, von 1847 - 189 außerdem Gemeinderat und Ortsvorstand in Katernberg. Bei der Bekämpfung der Cholera Epidemie 1866/67 zeichnete er sich durch Mut und Entschlossenheit besonders aus
1883 Schlägel- und Eisenstraße

Die Siedlungshäuser der Eisenstraße um 1900 von Süden gesehen     Die Schlägelstraße mit Blick nach Norden

1889 Gerstekamp und Plänkerweg (früher Kurzebzw. Eichstraße)
1890 Schalkerstraße, Meerbruchstraße, Viktoriastraße, Bolsterbaum (Die Schalkerstraße hieß früher Heßlerstraße, Viktoriastraße und Bolsterbaum sind weitere Bauabschnitte) 1895 Termeerhöfe (früher Bruchstraße) und Zollvereinstraße
1898 Drokamp (vormals Buschstraße)
1900 Nienhuser Busch (vormals Wallstraße)
1903 Röcken- und Kraspothstraße (Die Kraspothstraße war die ehemalige Katernberger Straße und lag in Rotthausen)
1907 Roonstraße
1912 Theobaldstraße, Alte Kirchstraße

Hier endete das Bauprogramm vor dem Ersten Weltkrieg. In dieser Zeit wurden immerhin 1.563 Wohnungen von Zollverein für ihre Mitarbeiter gebaut. Mit dieser Leistung übertraf Zollverein alle vergleichbaren Zechen im Essener Raum.


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Die Miete für so eine Zechenwohnung betrug vor dem Ersten Weltkrieg 10,- Mark. Der Durchschnittslohn für einen Kohlenhauer lag 1900 bei 4,18 Mark/Schicht. Die Zuweisung einer Wohnung geschah durch die Zechenverwaltung. Es gab eine Bindung zwischen Arbeits- und Mietvertrag. Ein Wechsel von Zeche zu Zeche war also auch mit dem Verlust der Wohnung verbunden. Die Zeche hatte hier ein enormes Druckmittel in der Hand, um der Fluktuation auf der Zeche zu begegnen. Oft wechselten 70 - 90 % der Belegschaft im Jahr ihren Arbeitsplatz. Die Werksleitung bemühte sich, hierdurch zu einer bodenständigen qualifizierten Belegschaft zu kommen.

(Quelle: Zeche Zollverein, Hg. Gechichtswerkstatt Zollverein)              ...zur "Landgemeinde"                     zurück